Gene, Schmerzverarbeitung & Co.

Fibromyalgie: Ursachen

Ursachen

Nach heutigem Wissensstand gibt es keine einzelne Ursache, die für die Entwicklung des Fibromyalgie-Syndroms verantwortlich ist. Man vermutet, dass verschiedene Faktoren wie z. B. Veranlagung, körperliche und psychische Einflüsse zusammenwirken. Fakt ist: Anders als viele denken, handelt es sich bei der Fibromyalgie nicht um eine entzündlich-rheumatische Erkrankung.

Was passiert im Körper?

Lange Zeit ging man davon aus, dass der Fibromyalgie keine körperlichen Ursachen zugrunde liegen, sondern die Beschwerden psychosomatisch bedingt sind. Inzwischen hat man jedoch festgestellt, dass bei Betroffenen in verschiedenen Bereichen Störungen oder Auffälligkeiten vorliegen. Sie liefern Erklärungsansätze dafür, warum es bei Fibromyalgie zu chronischen Schmerzen in verschiedenen Körperregionen kommt. Dabei spielen vor allem die folgenden Aspekte eine Rolle:

Veränderte Schmerzverarbeitung und -wahrnehmung

Die Schmerzen bei Fibromyalgie entstehen nicht an der schmerzenden Stelle, sondern sind das Ergebnis einer gestörten Schmerzverarbeitung und -wahrnehmung im Gehirn.

Schmerzgedächtnis & chronische Schmerzen

Schmerzen sind ein an sich sinnvolles Warnsignal. Normalerweise verschwinden sie, sobald die auslösende Ursache beseitigt ist. Dieser Prozess scheint bei Betroffenen gestört zu sein. Der Körper „merkt“ sich die Schmerzen – das Schmerzgedächtnis ist sozusagen falsch „programmiert“. Ein andauernder Schmerzreiz kann die Empfindlichkeit von Nervenzellen so stark erhöhen, dass der Schmerz auch dann noch bestehen bleibt, wenn der ursprüngliche Auslöser beseitigt ist.

Schmerzschwelle & Schmerzempfindlichkeit

Bei Patienten mit Fibromyalgie ist die Schmerzschwelle niedriger als bei Gesunden und sie weisen eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit auf. Diese Phänomene werden als Allodynie und Hyperalgesie bezeichnet. Betroffene empfinden Berührungen der Haut und Temperaturveränderungen anders als Gesunde und schon leichter Druck auf bestimmte Körperbereiche kann sehr schmerzhaft sein.

Gestörte emotionale Schmerzmodulation

Gesunde empfinden Schmerzreize in einem emotional negativen Zustand als intensiver als in einem emotional positiven Zustand. Patienten mit chronischen Schmerzen nehmen Schmerzreize dagegen in einem neutralen Zustand weniger stark wahr.

Botenstoffe & Co.

Bei Fibromyalgie-Patienten wurden mehrfach erniedrigte Konzentrationen an Serotonin („Glückshormon“) und L-Tryptophan, seiner Vorstufe, festgestellt. Serotonin fungiert im Nervensystem als Neurotransmitter (Botenstoff) und beeinflusst zum Beispiel die Stimmung und den Schlaf-Wach-Rhythmus. Darüber hinaus ist es aber auch an der Regulierung der Darmtätigkeit und der Spannung der kleinen Blutgefäße beteiligt.

Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (kurz: HHN-Achse)

Dabei handelt es sich um eine hormonelle Reaktionskette, die auch als „Stress-Achse“ bezeichnet wird und im Körper vielfältige Funktionen erfüllt. Bei Betroffenen konnten hier ebenfalls Auffälligkeiten festgestellt werden.

Schädigung der kleinen Nervenfasern

Die kleinen schmerzleitenden Nervenfasern sind bei Fibromyalgie-Patienten geschädigt. Diese Erkenntnis ist erst wenige Jahre alt und hat zu einer Neudefinition der Schmerzen geführt, die im Rahmen der Erkrankung auftreten.

Fibromyalgie Primäre und sekundäre Formen

Primäre Fibromyalgie:

  • Tritt ohne ersichtlichen Auslöser auf

Sekundäre Fibromyalgie:

  • Tritt infolge einer anderen Grunderkrankung, Verletzung oder nach einem seelischen Trauma auf
  • Mögliche Auslöser: Unfälle, Operationen, Stresssituationen, Rheuma, Autoimmunerkrankungen, Infektionskrankheiten (z. B. Hepatitis C), persönliche Krisen

Erstmals organischer Befund

Wissenschaftler am Universitätsklinikum Würzburg konnten im Jahr 2013 einen organischen Befund bei Fibromyalgie-Patienten feststellen. Die kleinen Nervenfasern (small fibres), die für die Wahrnehmung von Schmerzen und das Temperaturempfinden verantwortlich sind, weisen bei Betroffenen offenbar Schädigungen auf. Diese Ergebnisse hatten zur Folge, dass die Schmerzen, die bei Fibromyalgie auftreten, neu klassifiziert wurden: Sie gelten heute als sogenannte neuropathische Schmerzen (Nervenschmerzen) – also Schmerzen, die auf Erkrankungen oder Schädigungen des Nervensystems zurückgehen. Nun bedarf es weiterer Forschungsanstrengungen, um zu klären, ob diese Schädigungen der kleinen Nervenfasern eine mögliche Ursache oder aber eine Folge der Erkrankung sind.

Fibromyalgie: Risikofaktoren

Bis heute sind die genauen Prozesse der Krankheitsentstehung noch nicht vollständig aufgeklärt. Eine gewisse erbliche Veranlagung scheint eine Rolle zu spielen, auch wenn es offenbar kein einzelnes „Fibromyalgie-Gen“ gibt.

Risikofaktoren für Fibromyalgie sind zum Beispiel:

  • Fibromyalgie bei einem Verwandten ersten Grades (Eltern, Geschwister)
  • Schwere Verletzungen durch Unfälle oder Operationen, bei denen kein optimales Schmerz-Management stattgefunden hat
  • Starke Schmerzen im Rahmen einer anderen Erkrankung, die nicht optimal behandelt wurden
  • Körperliche Fehlbelastung, einseitige Körperhaltungen
  • Psychische Überbelastung in Familie und Beruf (z. B. auch Mobbing)
  • Persönliche Krisensituationen oder starke Konflikte
  • Erlebter Missbrauch in Kindheit und Erwachsenenalter
  • Rauchen
  • Übergewicht
  • Bewegungsmangel

Begünstigend können sich offenbar auch einige Grunderkrankungen auswirken. Dazu zählen z. B. entzündliche Erkrankungen wie Colitis ulcerosa, Rheuma, Infektionskrankheiten (z. B. Borreliose, Hepatitis C), Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion, seelische Traumata.

Gut zu wissen:

Fibromyalgie kann sich auch entwickeln, wenn die genannten Risikofaktoren nicht vorliegen.

Fibromyalgie Negative Einflussfaktoren

Einige Faktoren begünstigen eine Verschlimmerung der Schmerzen und können einen Fibromyalgie-Schub auslösen. Dazu zählen:

  • Stress (z. B. Überbelastung, Konflikte, Krisen)
  • Bewegungsmangel
  • Depressionen
  • Schlafmangel
  • Körperliche Überbelastung oder Fehlbelastung
  • Wetterwechsel
  • Feucht-kaltes Klima

Gibt es eine Fibromyalgie-Persönlichkeit?

Immer wieder wird diskutiert, ob sich die Fibromyalgie aufgrund von bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen entwickelt. Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass bei Erkrankten bestimmte Eigenschaften und Verhaltensmuster gehäuft auftreten. Dazu zählen zum Beispiel hohe Ansprüche an sich selbst, Perfektionismus, ein stark ausgeprägtes Pflichtbewusstsein und die Tendenz, sich für andere aufzuopfern, ohne auch einmal an sich selbst zu denken. Inwiefern solche Faktoren tatsächlich und ursächlich mit der Entstehung von Fibromyalgie zusammenhängen, ist bis heute noch nicht vollständig geklärt. Zudem ist es auch nicht möglich, die Erkrankung durch ein „Abstellen“ derartiger Verhaltensweisen zu heilen. Dennoch kann es sicherlich nur sinnvoll sein, überhöhte Ansprüche an sich selbst und andere auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren und sich insgesamt mehr in Gelassenheit zu üben.

Tipps bei Fibromyalgie

Ausdauer- und Krafttraining
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Ausdauer- und Krafttraining

Als Maßnahme mit dem größten Nutzen empfehlen Experten ein regelmäßiges, aber niedrig dosiertes Ausdauer- und Krafttraining. Egal ob Walking, flottes Spazierengehen, Aquajogging oder Fahrradfahren – zwei- bis dreimal pro Woche sollte für etwa 30 Minuten „trainiert“ werden. Wichtig ist dabei, dass Sie auf eine geringe bis mittlere Trainingsintensität achten. Ein erfahrener Trainer oder Physiotherapeut kann Sie bei der Zusammenstellung eines individuellen Bewegungsprogramms unterstützen.

Vorsicht bei Schmerzmitteln
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Vorsicht bei Schmerzmitteln

Von antientzündlichen Schmerzmitteln wird bei Fibromyalgie abgeraten. Zu dieser Gruppe der sogenannten nicht-steroidalen Antirheumatika zählen die klassischen Schmerzwirkstoffe wie Acetylsalicylsäure, Diclofenac und Ibuprofen. Diese Schmerzmittel sind weder sinnvoll noch notwendig, da bei Fibromyalgie keine Entzündung zugrunde liegt.

Nach Rücksprache mit dem Arzt können insbesondere bei einem starken Schub der Erkrankung andere Schmerzmittel sinnvoll sein. Grundsätzlich sollten sie jedoch nur sparsam und zeitlich befristet zum Einsatz kommen.

Meditative Bewegungstherapien
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Meditative Bewegungstherapien

Tai-Chi, Qi-Gong oder Yoga – diesen fernöstlichen Bewegungstherapien werden zahlreiche positive Effekte auf die Gesundheit und unser Wohlbefinden zugeschrieben. Auch bei Fibromyalgie werden diese körperbezogenen Verfahren sehr empfohlen.

Schmerztagebuch mal anders
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Schmerztagebuch mal anders

Ständig Schmerzen – das ist der Alltag vieler Fibromyalgie-Patienten. Um mögliche Auslöser zu identifizieren, führen Betroffene mitunter ein Schmerztagebuch und notieren die Beschwerden. Neue Erkenntnisse weisen allerdings darauf hin, dass Betroffene von einer anderen Herangehensweise profitieren können: Und zwar, indem der Fokus weg vom Schmerz hin zu erfreulichen Tätigkeiten gelenkt wird. Dokumentieren Sie doch einmal in einem Tagebuch alle positiven Ereignisse, z. B. „Heute bin ich ausgeruht aufgestanden“, „Heute hatte ich keine Schmerzen“ oder „Heute war ich mit Freunden im Biergarten“.

Schlafräuber entlarven
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Schlafräuber entlarven

Fibromyalgie-Patienten haben oft auch mit Schlafstörungen und Müdigkeit zu kämpfen. Umso wichtiger ist es, mögliche Schlafräuber zu entlarven und Abhilfe zu schaffen. Wer zum Beispiel keine festen Zubettgeh-Zeiten einhält oder abends noch E-Mails oder Telefonate beantwortet, findet oft schlecht in den Schlaf. Kleine Abendrituale können dabei helfen, in den Schlummermodus zu kommen. Außerdem lohnt es sich, das Schlafzimmer unter die Lupe zu nehmen und Störfaktoren wie eine zu warme Zimmertemperatur oder eine nicht ausreichende Abdunkelung des Schlafzimmers zu beseitigen.

Aktiv am Leben teilnehmen – trotz Schmerzen
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Aktiv am Leben teilnehmen – trotz Schmerzen

Auch ein aktiver Alltag kann Patienten mit Fibromyalgie helfen, besser mit der Erkrankung umzugehen. Ärzte sprechen in diesem Zusammenhang auch von „psychosozialer Aktivierung“. Damit ist gemeint, dass zum Beispiel ein regelmäßiger Austausch mit Freunden oder Verwandten, die Pflege eines geliebten Hobbys oder das Erlernen einer Fremdsprache positive Effekte zeigt und Betroffene von innen heraus gegen die Schmerzen stark machen kann. Gerade dann, wenn der Schmerz zum ständigen Begleiter geworden ist, ist es oft schwer, den Blick auf die eigenen Kraftquellen zu lenken – aber es lohnt sich.

Wichtig: Wichtig:

Akzeptieren Sie Ihre Erkrankung und entwickeln Sie Ihr eigenes „Wohlfühlprogramm“. Finden Sie heraus, was Ihrem Körper und Ihrem Geist gut tut.

Patienten-Schulung
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Patienten-Schulung

Betroffenen wird empfohlen, an einer speziellen Fibromyalgie-Schulung teilzunehmen. Meist wird ein solches Kursprogramm von Ärzten, Psychologen und Physiotherapeuten begleitet. Neben der Aufklärung zum Krankheitsbild und möglichen Behandlungsverfahren liegt ein wesentlicher Schwerpunkt darin, Patienten Strategien an die Hand zu geben, wie sie in Alltag, Familie und Beruf besser mit ihrer Erkrankung umgehen können.

FMS Was ist Fibromyalgie?

  • Chronische Erkrankung
  • Wörtliche Übersetzung: „Faser-Muskel-Schmerz“
  • Fibro = Faser (lat. Fibra)
  • Myo = Muskel (gr. Myos)
  • Algie = Schmerz (gr. algos)
  • Kernsymptome: Generalisierte Schmerzen, Schlafstörungen, Müdigkeit, Erschöpfung
  • Betroffene reagieren stärker auf Schmerzreize und haben eine niedrigere Schmerzschwelle als Gesunde

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